Wildstreifen schaffen Rückzugsräume

In Grünlandregionen mit nahezu ausschließlicher Stallhaltung werden gerade zum ersten Schnitt sehr viele Flächen binnen weniger Tage geschnitten. Durch die Umstellung von Beweidung zu reiner Schnittnutzung sind im Laufe der Zeit viele ehemals in der Landschaft vorhandenen Zäune verschwunden und kleiner parzellierte Flächen zu entsprechend großen Einzelparzellen zusammengefasst worden. Mit jedem Zaun, der aus der Landschaft verschwunden ist, ist gleichzeitig auch nicht bewirtschafteter Rückzugsraum für Niederwild verloren gegangen. Streifen zwischen einzelnen Schlägen, die aus der Bewirtschaftung genommen werden, könnten hier langfristig Rückzugsräume schaffen. Dieses ist aber in der Praxis nur im begrenzten Umfang zu realisieren. Ob alternierende Rückzugsstreifen innerhalb einer Grünlandfläche eine praxisverträgliche Alternative darstellen können, wurde in einem Projekt am Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Riswick in Kleve überprüft. Hierüber berichten Dr. Klaus Hünting, Bernadette Bothe und Dr. Martin Pries, Landwirtschaftskammer NRW.

Abbildung 1: Rückzugsstreifen bei der Ernte des ersten Schnittes

Abbildung 1: Rückzugsstreifen bei der Ernte des ersten Schnittes

Zum zweiten Schnitt (31.05.2017) wurde dieser Streifen abgemäht und seitlich daneben ein gleichartiger Streifen angelegt (Abbildung 2).

Abbildung 2: Abgeernteter Rückzugsstreifen zum 2. Schnitt

Abbildung 2: Abgeernteter Rückzugsstreifen zum 2. Schnitt

Zum dritten Schnitt (21.07.2018) wurde die Fläche dann komplett gemäht. Zu den Schnittterminen wurden die Erträge sowohl in der regulär beernteten Fläche als auch im Wildstreifen durch Probeschnitte bestimmt.

Abbildung 3: Probeschnitt zur Ertragsbestimmung                                          Abbildung 4: Wiegen des Probeschnittes

Abbildung 3: Probeschnitt zur                                                           Abbildung 4: Wiegen des Probeschnittes
Ertragsbestimmung  

Der jeweils abgemähte Wildstreifen wurde praxisüblich mit einem 18 m Schwader mit einem Teil des regulären Aufwuchs zusammen geschwadet. Aus diesem Misch-Schwad wurde Material ebenso in 220 l Fässern einsiliert wie Material des aktuellen Aufwuchses allein. Von den so einsilierten Materialien wurde mithilfe der energetischen Futterwertprüfung (Hammeltest) die Verdaulichkeit und der Energiegehalt bestimmt. Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie sich die Verwendung der unterschiedlich breiten Rückzugsstreifen auf den Trockenmasseertrag je Hektar nach drei Schnitten auswirkt.

Abbildung 5: Entwicklung des Trockenmasseeertrages in Abhängigkeit der Breite des Rückzugsstreifens (nach 3 Schnitten)

Abbildung 5: Entwicklung des Trockenmasseeertrages in Abhängigkeit der Breite des Rückzugsstreifens (nach 3 Schnitten)

Anhand der in der Verdaulichkeitsuntersuchung ermittelten Energiegehalte der Silagen (siehe Abbildung 6) aus den unterschiedlich breiten Rückzugsstreifen lässt

Abbildung 6: Energiegehalte der Grassilagen mit den Anteilen der unterschiedlich breiten Rückzugsstreifen ermittelt in der energetischen Futterwertprüfung

Abbildung 6: Energiegehalte der Grassilagen mit den Anteilen der unterschiedlich breiten Rückzugsstreifen ermittelt in der energetischen Futterwertprüfung

sich in Verbindung mit dem Trockenmasseertrag der Gesamtenergieertrag von der Fläche nach 3 Schnittterminen ermitteln. Diese sind in der Abbildung 7 dargestellt. Resultierend aus dem erheblichen Massezuwachs der Rückzugsstreifen wurden je Hektar über die drei Schnitte höhere Trockenmasse und Energieerträge bei Verwendung der Streifen realisiert. Da aber das Futteraufnahmevermögen von Milchkühen begrenzt ist, kann es nicht bei der alleinigen Betrachtung der absolut von der beernteten Fläche gewonnenen Trockenmasse bzw. Energie bleiben, sondern vielmehr muss hier die resultierende relative Energiedichte betrachtet werden. Da die gewählten Rückzugsstreifen flächenmäßig bei 6 Metern Breite nur etwa 4,3 % der gesamten Fläche ausmachten, ist der Effekt auf den relativen Energiegehalt der Fläche als Ganzes als eher gering einzustufen.

Abbildung 7: Gesamtenergiertrag je ha nach drei Schnitten in Abhängigkeit der Breite der Rückzugsstreifen

Abbildung 7: Gesamtenergiertrag je ha nach drei Schnitten in Abhängigkeit der Breite der Rückzugsstreifen

Über die drei ersten Schnitte, die etwa die Kernspanne der Brut- und Setzzeiten des Niederwildes darstellen, sinkt der Energiegehalt im Versuchsjahr 2017 im Schnitt nur um 0,1 MJ NEL je kg TM (siehe Abbildung 8) wenn kein Rückzugsstreifen vorhanden ist, im Vergleich zu einem Streifen von 6 Metern Breite.

Abbildung 8: Energiedichte in MJ NEL / kg TM bezogen auf die ganze Fläche über die ersten drei Schnitte

Abbildung 8: Energiedichte in MJ NEL / kg TM bezogen auf die ganze Fläche über die ersten drei Schnitte

Aufgrund dieses nur geringen Rückganges der Energiekonzentration sind diese mit jedem Schnitt wechselnden Rückzugsstreifen, zumindest aus der Sicht der Fütterung, ein möglicher Weg um in der Kulturlandschaft Räume zu schaffen, die dem Niederwild die Möglichkeit geben könnten, Nachwuchs groß gezogen zu bekommen. Hierbei ist aber im Interesse des Wildes zu berücksichtigen, dass diese Wildstreifen nicht als erstes frei gemäht werden, sondern dass das Wild, wie beim „Mähen von Innen nach Außen“ während des Mähvorgangs in diesen Rückzugsstreifen gedrückt wird.